Was ist urbane Landwirtschaft?

„Urbane Landwirtschaft“ ist aktuell Gegenstand zahlreicher Schlagzeilen, Berichterstattungen und Projekte in Medien und Öffentlichkeit. Verbunden wird das Thema vielfach mit dem Gärtnern von Stadtbewohnern, das gerade eine Art Renaissance erlebt, oder es werden innovative Konzepte aus Wissenschaft, Forschung und Planung mit der urbanen Landwirtschaft in Beziehung gesetzt. In diesem Kontext werden die Begriffe urbanes Gärtnern, Stadtlandwirtschaft, urban farming und urban gardening häufig synonym verwendet.

Urbane Landwirtschaft wurde jedoch bisher nicht oder nur in unzureichender Form aus Sicht von Landwirtschaft und Gartenbau besetzt und definiert. Die folgende Definition liefert einen Ansatz, der die Erwerbslandwirtschaft in den Mittelpunkt des Begriffs der urbanen Landwirtschaft stellt und somit den Schwerpunkt auf eine professionelle, erwerbsmäßig betriebene Landwirtschaft unter Einbeziehung der Säulen Ökonomie, Ökologie und Soziales legt.

Urbane Landwirtschaft ist nach dieser Definition eine professionelle Form der Landbewirtschaftung, die sich innovativ den urbanen Gegebenheiten anpasst, um unter Beachtung der ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekte städtischer Verdichtungsräume wettbewerbsfähig zu wirtschaften.

Die auf die Stadt und deren Umgebung ausgerichtete, spezialisierte und diversifizierte Produktion von Nahrungsmitteln und Agrarrohstoffen umfasst gleichwohl die klassische Landwirtschaft mit Pflanzenbau und Tierhaltung ebenso wie den Sonderkulturanbau, der in Agglomerationsräumen eine große Bedeutung aufweist und in der Betriebsstruktur häufig in Verbindung mit Direkt- bzw. Regionalvermarktung etabliert ist. Der Anteil der Landwirtschaft mit überregionalem Absatz ist dabei im städtischen Umfeld geringer als im ländlich geprägten Raum. Für Tierbestände sind in städtischen Verdichtungsbereichen häufig emissions- und baurechtliche Vorschriften die begrenzenden Faktoren. Charakteristisch ist daher eine Tierhaltung mit kleinen Beständen in Verbindung mit Direktvermarktung oder Freizeitangeboten.

Urbanität liefert sowohl positive als auch negative Rahmenbedingungen für eine städtisch geprägte multifunktionale Landwirtschaftsproduktion. Die wichtigsten positiven Effekte sind die unmittelbare Nähe zum Verbraucher und ein großer Absatzmarkt mit günstigen Voraussetzungen für das Angebot von Dienstleistungen, Direkt- und Regionalvermarktung. Dienstleistungen, die die Landwirte der städtischen Bevölkerung zum Zwecke der Erholungs- und Freizeitgestaltung anbieten, reichen vom Agrotourismus mit Gastronomie- und Übernachtungsbetrieben wie Ferien auf dem Bauernhof, über die Pensionstierhaltung bis hin zu mannigfaltigen Kultur-, Sport-, Kunst- und Bildungsangeboten. So sind das Anlegen von Flächen zur saisonalen Bewirtschaftung in kleinen Parzelleneinheiten oder Flächen für die Selbsternte – insbesondere von Erdbeeren und Schnittblumen – Beispiele für lukrative Einkommensalternativen. Landschaftspflegearbeiten zur Entwicklung von Flächen der öffentlichen Hand, sogenannte grüne Dienstleistungen, ermöglichen die Einbindung der Landwirtschaft in Pflegekonzepte der Kulturlandschaft und stellen eine weitere praktizierte Einkommenskomponente dar.

Aufgrund der enormen Konkurrenz um Fläche wirken sich hingegen insbesondere das geringe und weiter abnehmende Flächenangebot sowie ein hoher Pachtflächenanteil mit kurzfristigen Bewirtschaftungsverträgen negativ aus. Dem Mangel und Verlust an landwirtschaftlicher Nutzfläche wird vielfach durch eine Erhöhung der Wertschöpfung entgegengewirkt, um konkurrenz- und wettbewerbsfähig zu bleiben. Trotz allem erschweren die fehlende Planungssicherheit sowie die enge Verzahnung landwirtschaftlicher Unternehmensstandorte mit emissionsempfindlicher Nachbarschaft die wirtschaftliche Entwicklung der Betriebe entscheidend.

Ungeachtet der besonderen Rahmenbedingungen trägt urbane Landwirtschaft in erheblichem Maße zum Erreichen gesellschaftlich erwünschter Ziele u. a. durch die regionale Erzeugung und Vermarktung von Nahrungsmitteln, den Anbau nachwachsender Rohstoffe, das Bereitstellen von Raum und Angeboten für Erholungssuchende und als wichtiger Akteur in der Kulturlandschaft bei. Durch die landwirtschaftliche Produktion und die angebotene Fülle an Dienstleistungen werden zudem vielfältige ökonomische, soziale und ökologische Leistungen erbracht, die sowohl marktfähiger als auch nicht-marktfähiger Art sind. Mit den marktfähigen Leistungen erwirtschaften die Landwirtschaftsunternehmen ihr Einkommen, während die nicht-marktfähigen Leistungen – wie der Erhalt der Kulturlandschaft mit seinem landwirtschaftlich genutzten „Frei“Raum – der Gesellschaft und Umwelt zu Gute kommen ohne den Unternehmen direktes Einkommen zu genieren.

 

Das alles ist urbane Landwirtschaft!